Dankesrede von Peter Hinke vom 13.03.2015

anläßlich der Preisverleihung des Förderpreises 2015 der Kurt Wolff Stiftung

an die Connewitzer Verlagsbuchhandlung



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Sehr geehrtes Kuratorium,
Verehrter Vorstand der Kurt Wolff Stiftung,
Sehr geehrte Frau Staatsministerin,
Sehr geehrte Frau Hartwig,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
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als der federführende Vertreter der Connewitzer Verlagsbuchhandlung möchte ich gern einige dankende Worte an Sie richten.

Die heutige Preisvergabe ist für uns eine schöne und auch eine geschichtsträchtige Sache. Heute genau vor 25 Jahren, am Nachmittag des 13. März 1990, ich kann es Dank einer  vergilbten Urkunde samt Amtsmarke darauf belegen, saß ich  vor einem Büro des "Rat des Stadtbezirkes Leipzig-Süd, Abteilung Kultur" und erhoffte nach wiederholten Anläufen die Genehmigung zur Gründung einer Verlagsbuchhandlung zu bekommen. Das Anliegen war den Behörden nicht so recht geheuer, erst seit dem 1. Januar 1990 war es in der damaligen DDR möglich, eine solche Genehmigung zu bekommen. Man ließ uns zappeln. Uns hieß in diesem Fall, es gab noch einen anderen Antragsteller: Dieter Trier, einen bärtigen Antiquar. Er war vor mir im Büro der Amtsdame und kam fröhlich mit den Worten heraus: "Isch hab sie!". Und ich ich bekam sie dann auch, diese Urkunde, die ermöglichte einen Raum anzumieten,in dem man der Tätigkeit des verbreitenden und herstellenden Buchhandels, wie das im Fachjargon heißt, nachgehen konnte.In den 80ern Jahren hatte ich bereits Erfahrungen im Verlegen von Samisdatzeitschriften gesammelt, so war das erste Verlagsprojekt wieder eine literarische Zeitschrift: der "Connewitzer Kreuzer", benannt nach dem Ort unseres ersten Quartiers im gleichnamigen Leipziger Stadtteil. Bald folgten erste Lyrikbände und Fotobücher.

 

Diese frühe Zeit der Jahre 1990 bis 1992  hat uns  bis heute geprägt. Es waren die Monate, in denen "alles möglich schien", wie es immer wieder gern heißt. Und in der Tat kann man sie schwerlich beschreiben, diese verrückte, magische Zwischenzeit, für die meines Erachtens auch nur wenige literarische Autoren bislang die treffenden Worte fanden. Aber es war wahrhaftig die Zeit"als wir träumten" und gleichzeitig wie im Rausch arbeiteten und immer noch trägt uns dieses "Leuchten" aus  der Zeit des Aufbruchs, nun schon 25 Jahre lang. Neben den vielen Büchern bleiben die großen Begegnungen und Gespräche dieser Aufbruchsjahre, zwischen den Jahrhunderten, kann man fast sagen. Es waren Menschen wie Klaus Wagenbach, Siegfried Unseld, Wolfgang Hilbig, Walfried Hartinger oder Christa Wolf die uns bestärkten, in dem sie sagten: Es ist gut. Macht etwas daraus!

 

Und natürlich gab es früh schon Kurt Wolff, auch wenn wir ihm natürlich nie persönlich begegnet sind. Er war, und er ist so eine Art ständiger Begleiter durch die Zeiten: Schon als Bibliotheksfacharbeiterlehrling passierte ich Mitte der 80er Jahre fast täglich den Ort seines ersten Verlagssitzes in der heutigen Goldschmidtstraße. Ich blickte auf all diese heruntergekommenen Fassaden der Häuser im Grafischen Viertel, die teils noch Zeichen ehemaliger  Pracht trugen und schmückte die verlorenen Orte der Leipziger Verlage und Druckereien mit Phantasie aus. Der Schriftsteller Erich Loest sagte einmal, er würde so gern einmal durch das Leipzig von 1913 gehen. Das konnte ich immer nachvollziehen, da war ich mit dabei.

Um Kurt Wolff kommt man als literarischer Verleger in Leipzig kaum herum. In einem Luzerner Antiquariat entdeckte ich den Briefwechsel Wolffs mit seinen Autoren und war begeistert.
1993 legten wir Kurt Wolffs Almanach von 1917 neu auf, um ihn neuen Lesern zugänglich zu machen  und 1995 siedelten wir uns im Specks Hof an, einem alten Messepalast, unweit von Wilhelms Weinstuben, in denen Wolff, Rowohlt und ihre Autoren einst saßen, tranken und Pläne schmiedeten.
Das Wissen um diese literaturhistorischen Orte um uns herum  gab uns Kraft und Phantasie, die auch immer wieder in neue Bücher floß. In Bücher von Autoren, die es wie Schätze zu heben galt, wie Hans Reimann oder Lene Voigt, geheime Klassiker wie Andreas Reimann, aber vermehrt auch in Bücher von Debütanten, auf die wir stolz sind, wie zum Beispiel Kerstin Preiwuß oder Ulrike Almut Sandig.

Leipzig ist weiterhin eine Buchstadt, das zeigt nicht nur diese Buchmesse, sondern auch die Qualität der ansässigen Buchgestalter und Illustratoren und nicht zufällig ist auch unsere Hausdruckerei PögeDruck ein Leipziger Familienbetrieb. Es ist schön hier zu arbeiten.
Der Galerist Judy Lybke, einst Nachbar der ersten Connewitzer Verlagsbuchhandlung, wurde einmal in einem Interview auf seine Eigene Arbeit angesprochen und er sprach von sich als "Fährmann", der den Künstler trägt. Ich finde dieses Bild läßt sich ganz wunderbar auch auf uns Verleger übertragen. Wir sind gerne die Fährleute!
Als im Jahre 2000 die Kurt Wolff Stiftung ins Leben gerufen wurde, empfanden wir diese sofort als einen schönen, notwendigen Hort für uns, die unabhängigen kleineren Verlage, denn Kurt Wolff steht wie wir für ein mutiges Büchermachen gegen den Strom, für Zeitlosigkeit, für Inhalte und schöne Gestaltung. Er steht aber auch fürs Weitermachen wenn es mal schwerfällt und auch fürs Wiederaufstehen, denn auch das Verlegerleben besteht nicht nur aus den lichten Momenten. Wenn man sich tiefer mit Kurt Wolff beschäftigt, kann man auch darüber nachdenken, was aus ihm ohne die Begegnung mit dem jungen Ernst Rowohlt geworden wäre, was ohne Franz Werfel, ohne Kurt Pinthus und Walter Hasenclever oder ohne Georg Heinrich Meyer. Denn allein ist man nichts.

Und da dies eine Dankesrede ist, sage ich in diesem Sinne: Was wären wir ohne unsere unsere Leser, unsere Mitarbeiter, Autoren, Gestalter, ohne die Unterstützer - und ohne die Eltern, die uns einst die ersten Bücher brachten. In diesem Sinne möchte ich allen danken, die dafür gesorgt haben, daß wir solange schon da sind, bleiben können, und heute diesen Preis entgegennehmen dürfen:

Vielen Dank!

 


 Wir haben auf der Leipziger Buchmesse 2015 den Förderpreis der Kurt-Wolff-Stiftung

 bekommen!


"Der Kurt-Wolff-Förderpreis 2015 geht an die Connewitzer Verlagsbuchhandlung in Leipzig, die erfolgreich an Kurt Wolffs Leipziger Vorbild der großen Literatur in kleiner Buchform anknüpft, mit Nachdruck für die Gegenwartslyrik eintritt und auf hohem buchkünstlerischen Niveau Brücken zwischen Schrift und Bild schlägt".


 

„Wir sind jetzt die Eltern“ -
Die Connewitzer Verlagsbuchhandlung erhält in ihrem 25. Jahr den Kurt-Wolff-Förderpreis

Interview für den Kreuzer / Logbuch 03/2015

 

Der Leipziger Verlag knüpfe an das Vorbild „von der großen Literatur in kleiner Buchform“ an, heißt es in der Begründung der Jury des Kurt-Wolff-Preises. Verleger Peter Hinke spricht über sein Konzept und blickt auf ein Vierteljahrhundert Arbeit am Buch zurück.

kreuzer: Die Connewitzer Verlagsbuchhandlung trete „mit Nachdruck für Gegenwartslyrik“ ein und schlage „auf hohem buchkünstlerischem Niveau Brücken zwischen Schrift und Bild“, urteilt die Jury. Fühlt ihr euch damit treffend beschrieben?

 

Peter Hinke: So sehen wir uns tatsächlich. Wenn wir eine Selbstdarstellung schreiben sollten, würden wir uns explizit in der Tradition Kurt Wolffs verorten. Wir achten das, was uns aus der Tradition der Buchstadt Leipzig mitgegeben wurde, und verknüpfen es mit den heutigen Möglichkeiten. Wer mit offenen Augen durch Leipzig geht, wird ständig an die literarische Vergangenheit der Stadt erinnert. Es mag etwas pathetisch klingen, aber das verstehen wir als Verpflichtung und Ansporn.

 

kreuzer: Bringt euch der Preis handfeste Vorteile?

 

Peter Hinke: Er bringt gesellschaftliche Akzeptanz. Ich finde es schön zu wissen, dass unsere Arbeit auch innerhalb von Leipzig bekannt und geschätzt ist. Die Dotierung mit 5.000 Euro versetzt uns in die Lage ein, zwei Titel drucken zu können, die sonst nicht finanzierbar wären. Wir werden das Geld also in neue Bücher investieren, die wir auch komplett in Leipzig produzieren.

 

kreuzer: Du hast schon von Leipzig als Buchstadt gesprochen, während viele andere klagen, dass diese Tradition längst tot sei. Wie siehst Du das?

 

Peter Hinke: Leipzig ist noch eine Buchstadt, man muss nur etwas genauer hinschauen. Die Buchmesse hat dafür natürlich einen besonderen Stellenwert. Aber es gibt hier zum Beispiel auch großartige Bibliotheken. Nicht zu vergessen: Viele Standards im Verlagswesen und Buchhandel gehen auf das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert zurück, als in Leipzig Verleger, Drucker, Buchbinder und andere Akteure die Branche modernisierten. Dass man Bücher über Nacht bestellen kann, ist eigentlich eine Leipziger Erfindung – damals eben nicht online, sondern telegrafisch.

 

kreuzer: Trotzdem sitzen die namhaften Verlage inzwischen in anderen Städten und es kommt vor, dass junge Autoren, die ihr hier in Leipzig mit aufgebaut habt, irgendwann zu größeren Häusern wechseln. Wie geht ihr damit um?

 

Peter Hinke: Das muss man lernen. Es ist wie mit einem hochklassigen Spieler in einer unterklassigen Fußballmannschaft – irgendwann ist der weg. Junge Autoren ticken heute oft auch anders, sie wollen eher ungebunden sein. Eine schöne Grundidee wäre eigentlich, gemeinsam zu wachsen. Aber heute müssen wir kurzfristiger denken und dürfen die Autoren nicht bevormunden.

 

kreuzer: In diesem Jahr wird die Connewitzer Verlagsbuchhandlung ein Vierteljahrhundert alt. Welche Bilanz ziehst Du?

 

Peter Hinke: Unser Geburtstag fällt mit der Buchmesse zusammen: Am 13. März 1990 haben wir vom Rat des Stadtbezirkes Leipzig Süd eine Urkunde mit der Genehmigung zur Gründung einer Verlagsbuchhandlung erhalten. Dann haben wir erst einmal vom Leiterwagen herunter verkauft und im Sommer unseren Laden in der damaligen Fritz-Austel-Straße eröffnet (heute Bornaische Straße, Anm. d. Red.). Dort entstand ja auch der Kreuzer. Ich hätte damals nie vermutet, dass es so lange brauchen wird, sich zu stabilisieren, aber tatsächlich werden wir 2015 den letzten Kredit aus dieser Zeit abbezahlen. Währenddessen haben wir mehr als 200 Bücher herausgegeben. Die Kombination aus Verlag und Buchhandlung hat sich dabei bewährt, weil wir beide Seiten des Geschäfts kennen.

 

kreuzer: Macht euch der Trend zum e-book Sorgen?

 

Peter Hinke: Ich glaube, Wissenschaftsverlage werden sich mit dieser Frage viel intensiver auseinandersetzen müssen, als ein Verlag, der Wert auf schöne Ausstattung legt. Literatur wird immer auch auf Papier stattfinden. Und ein gutes Buch hat auch damit zu tun, aus der gewohnten Zeitschleife herauszukommen. Natürlich können wir auch e-books vertreiben, aber damit haben wir in den vergangenen beiden Jahren keine 20 Euro Umsatz gemacht. Meiner Meinung nach wird es auch in Zukunft immer klassische Buchhandlungen geben, vor allem die kleineren, individuellen, vielleicht spezialisierten. Voraussetzung ist natürlich, dass die Buchpreisbindung bleibt.

 

kreuzer: Was habt ihr fürs Jubiläumsjahr geplant?

 

Peter Hinke: Wir werden uns etwas einfallen lassen, eine Lesung hier, eine Festschrift dort. Vielleicht können wir einen kleinen Band über unsere Geschichte herausgeben, es gibt da viele spannende Dokumente und Fotos. Und wir wollen in der Verantwortung bleiben für die Buchstadt Leipzig. Mit 25 Jahren sind wir jetzt praktisch die Eltern und wollen die nächste Generation anregen, in dem Sinne weiterzuarbeiten.

YVONNE FIEDLER